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Eine Frau für Berlin

Dezember  2016 / 23 Kommentare deaktiviert

Monika Grütters heißt die neue Vorsitzende der Berliner CDU, nachdem Frank Henkel das schlechteste Ergebnis der Nachkriegszeit holte. Die Neue ist bereits Staatsministerin für Kultur und enge Vertraute der Kanzlerin. Sie stößt Debatten an – und glaubt an Berlin. Hier aus aktuellem Anlass mein aufbereitetes Porträt aus dem Jahrbuch „Kunst in Berlin“.

Text: Mirko Heinemann

Diese Frau hat einen langen Atem. Wer schon einmal die Treppen im Neuen Museum bis unter das Dach hinaufgestiegen ist, weiß, dass man hier außer Puste geraten kann. Um ein Drittel höher noch als ein Berliner Altbau ist der neoklassizistische Prachtbau auf der Museumsinsel, in dem die berühmtesten Ausstellungsstücke Berlins zu sehen sind, etwa die Büste der Nofretete. Doch Monika Grütters, die Bergsteigerin, die Joggerin, scheint nicht einmal schneller zu atmen, als sie auf der Balustrade eintrifft. Jetzt lächelt sie freundlich, gibt jedem die Hand, sagt ein paar Sätze, dann kann es losgehen.

Es ist Ende Juni, und Monika Grütters eröffnet die neue archäologische Dauerausstellung im obersten Stockwerk. Die CDU-Politikerin, offizieller Titel: Staatsministerin für Kultur und Medien, ist Herrin über einen Etat von fast 1,3 Milliarden Euro im Jahr, den ihre Behörde bundesweit in Institutionen und Kulturprojekte steckt. Der Bund gibt davon rund 400 Millionen Euro in Berlin aus – ein Teil davon fließt an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, der die Staatlichen Museen unterstehen. Und damit auch an diese neue Ausstellung, in der Ausgrabungsstücke aus Berlin gezeigt werden.

Wie eine Mäzenin wird Monika Grütters behandelt. Hofiert, könnte man auch sagen. Sie mag diese Rolle offensichtlich nicht, sie gibt sich Mühe, verbindlich zu sein und nahbar. Doch die Zeit drängt, die Gruppe geht in schnellen Schritten von Raum zu Raum, keine Gelegenheit für persönliche Gespräche mit dem ernsten Michael Eissenhauer, Generaldirektor der Staatlichen Museen und dem quirligen Matthias Wemhoff, Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, der die Ausstellung konzipiert hat.

Neben religiösen Funden – Monika Grütters engagiert sich in der katholischen Kirche – interessiert sie besonders die übergroße steinerne Büste der Berolina. Die vergessene Schutzgöttin der Hauptstadt, eine Arbeit des Bildhauers Emil Hundrieser, stand einst auf dem Alexanderplatz. Plötzlich sind die Fotografen da. Die Grütters neben der Berolina. Diese Ähnlichkeit. Ja, ist das denn die Möglichkeit? Monika Grütters, hellblonder Haarschopf, gekleidet in cremefarbener Bluse und gestreifter Strickjacke, weitet amüsiert ihre blauen Augen und lächelt.

Eine schöne Parteikarriere hat sie hingelegt. Sie stammt aus dem westfälischen Münster, katholisch, hat ein Mädchengymnasium besucht. Dem Abitur folgte ein Politik- und Kunstgeschichte-Studium, Anfang der 90er wurde sie Pressesprecherin erst der Senatsverwaltung für Wirtschaft, dann kulturpolitische Sprecherin, zum Schluss macht sie Öffentlichkeitsarbeit für die berüchtigte Bankgesellschaft Berlin, deren Verfilzung die Berliner CDU an den Rand des Abgrunds führt. Ihr hat der Skandal nichts anhaben können. Sie startet mit einem guten Landeslistenplatz in den Bundestag, unterstützt von Angela Merkel.

Heute hat sie so viel Gestaltungsspielraum wie noch nie, die Macht über ihre eigene Zeit aber verloren. Sie ist Teil der Regierungsmaschine geworden, hetzt von Termin zu Termin, ist auf jeder Gedenkveranstaltung gefragt, auf jeder Eröffnung, sie muss Preise verleihen und nach Israel reisen, das alles noch vor den Sommerferien. Selbst zum Joggen am Grunewaldsee habe sie kaum noch Zeit, beklagt sie.

Nicht erst, seit sie im Amt ist, weist sie auf die prekäre Lage vieler Künstler hin, „die durch ihre Experimentierfreude immer wieder Neues entdecken, Fortschritt ermöglichen, die Gesellschaft lebendig halten“, wie sie sagt. Sie betont, dass sie nach Mitteln suche, deren Situation zu verbessern. Sie setzt sich für den Erhalt der Künstlersozialkasse ein, für das Urheberrecht und mahnt zu entsprechenden Vereinbarungen im Freihandelsabkommen mit dem USA. Hier berät sie zwar mit, die Hoheit für diese Fragen liegt aber bei den zuständigen Ministerien. Die Bundeskulturstiftung unter Hortensia Völckers ist ihr Instrument mit der Aufgabe, „den Eigensinn der Künstler und Kreativen mit cleveren Instrumenten zu stimulieren“.

Die Staatsministerin ist voll des Lobes: „Hortensia Völckers leistet seit vielen Jahren eine großartige Arbeit. Viele innovative Ideen und Programme gehen auf sie zurück“, lässt sie ausrichten. Das klingt recht blutleer, leider, wie viele Sätze in dem von ihr schriftlich beantworteten Interview. Hier zeigt sich wieder ihr Dilemma: Bei einer Begegnung sagt sie ein persönliches Gespräch zu, ihre Pressestelle sagt es wieder ab. Ihr enger Terminplan erlaube diese halbe Stunde einfach nicht, sagt ihr Sprecher. Auch hier: Monika Grütters möchte nahbar sein und verbindlich, aber in ihrem Amt funktioniert es nicht.

An der Gedenkstätte Deutscher Widerstand ist heute Großaufgebot. Im Bendlerblock, wo die Hitler-Attentäter vom 20. Juli 1944 hingerichtet wurden, wird die neue Dauerausstellung eingeweiht: multimedial, modern, bezahlt aus dem Bundeskulturtopf. Angela Merkel hält eine Rede, in der sie über die Verantwortung spricht, die sich aus der Geschichte ergibt. Heute sitzt Monika Grütters im Publikum. Wenn die Kanzlerin spricht, muss die Staatsministerin schweigen. So will es das Protokoll. Dafür ist sie noch da, als die Kanzlerin längst weg ist. Ein kleiner Mann, runzlig und alt, fasst nach ihrer Hand und redet auf sie ein. „Er ist Auschwitz-Überlebender“, sagt Grütters gerührt. Der Mann bekniet sie, auf ihrer Warschau-Reise in einem bestimmten Museum vorbeizuschauen. „Das machen wir“, verspricht sie. Ihr Referent steht mit unbewegtem Gesicht daneben und fragt sich vermutlich, was diese Frau da bloß tut, schon wieder ein Programmpunkt mehr.

Bundes-Kultur, das ist eigentlich ein Affront. Kultur ist Ländersache, doch der Bund behält sich vor, national und international bedeutende Kultureinrichtungen und Projekte zu unterstützen. Welche das genau sind? Schwierig. Grütters steht in der Kritik, sie sei allzu sehr auf Berlin fixiert. Und, dass sie sich in landespolitische Zuständigkeiten einmische. Etwa, als sie forderte, dass die Fashion Week nicht mehr am Brandenburger Tor stattfinde solle, weil sie des Baudenkmals „unwürdig“ sei.

Das wird sie auch in Zukunft wohl kaum bleiben lassen, denn für die CDU-Landeschefin ist Berlin das „Schaufenster für Deutschland als Kulturnation“. Ihr Faible sind die Prestigeprojekte, das Einheitsdenkmal, das Stadtschloss, das Kulturforum, das Brandenburger Tor. Doch sie betont auch, dass sie die Berlin Biennale „wunderbar“ finde und ihr das „multiethnische Junge, das Neuartige“ im Humboldt Forum ein wichtiges Anliegen sei. „Denn es kann auch eine großartige Vision für Berlin sein.“ Solche Sätze sind nicht selbstverständlich aus der Feder einer Politikerin, die immer wieder auf die wichtige Rolle konservativer Werte verweist.

 

Monika Grütters
Geboren (1962) und aufgewachsen in Münster/Westfalen, ist seit 2013 Staatsministerin für Kultur und Medien in Berlin.

Die studierte Kunstgeschichtlerin kam 1990 als Öffentlichkeitsarbeiterin an das Museum für Verkehr und Technik nach Berlin und wurde anschließend Pressesprecherin in der Senatsverwaltung für Wissenschaft und Forschung. Sie zog ins Berliner Abgeordnetenhaus ein, wurde wissenschafts- und kulturpolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und Mitglied im Landesvorstand. Seit 2005 sitzt sie im Bundestag, seit 2009 ist sie Landesvorsitzende der Berliner CDU.

Als Beauftragte für Kultur und Medien ist sie direkt der Bundeskanzlerin unterstellt, zu der sie ein gutes Verhältnis pflegen soll. Als kulturpolitische Schwerpunkte in Berlin nennt sie die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die Berlinale, die Akademie der Künste, die Berliner Festspiele, den Martin Gropius Bau, die Deutschen Kinemathek, das Deutschen Historischen Museum und das Haus der Kulturen der Welt.

 



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